Bereits zum siebten Mal trafen sich Lehrerinnen und Lehrer polnischer, deutscher und israelischer Gewerkschaften in Krakau und Auschwitz zu einem Seminar über den Holocaust.
Seit der ersten Sitzung und der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung im Jahr 2008 sind elf Jahre vergangen. In der Zeit hat sich am Programm viel getan. An den ersten Seminaren nahmen Führungskräfte von vier Gewerkschaften teil – der Deutschen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem israelischen „Histadrut Hamorim“ und zwei polnischen Organisationen, dem Polnischen Lehrerverband (ZNP) und der Sektion Bildung und Erziehung der Gewerkschaft NSZZ „Solidarność“. An den Treffen nahmen auch zwei bis drei Expert_innen teil, die neueste Analysen zum Thema Holocaust und deren Einsatzmöglichkeiten im Bereich des Lehrens präsentierten. Ein Höhepunkt des Treffens war die gemeinsame Teilnahme an den Feierlichkeiten zum Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, der den Jahrestag der Befreiung des Lagers Auschwitz markiert.
Ziemlich schnell stießen Kolleg_innen von der zweiten deutschen Partnerorganisation, dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) und kurz darauf auch vom zweiten israelischen Verband, „Irgun Hamorim“ zu den gemeinsamen Treffen dazu. Die Devise des Treffens, in Form eines eineinhalbtägigen Seminar als Forum für den Erfahrungsaustausch zwischen jüngeren und älteren Lehrer_innen, wurde abgeändert. Die Zusammensetzung der Delegation wurde deutlich erweitert und schloss fortan Fachleute mit ein, die an ihren jeweiligen Schulen Themen über den Holocaust bearbeiten. Denn ihre Aktivitäten sind es, die den ersten Schritt in eine breiter gefasste Reflexion über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und deren Folgen ermöglichen.
Die Erfahrungen der folgenden Jahre und die kürzlich beobachtete Radikalisierung der Gesellschaft machen uns bewusst, dass dies die richtige Entscheidung war, und die in der gemeinsamen Erklärung enthaltene Botschaft "in der Rolle als Gewerkschafter_innen und gleichzeitig als berufstätige Lehrer_innen stehen wir vor einer besonderen Verantwortung - junge Menschen und zukünftige Generationen dahingehend zu erziehen, dass sie bereit sind, sich für die Belange der Menschheit im Sinne des Bürgerbewusstseins und eines gemeinsamen Lebens in Harmonie - zu opfern, auch indem sie mit dem Holocaust und der damit verbundenen Erinnerungskultur konfrontiert werden.“ aktueller denn je ist.
Am diesjährigen Seminar nahmen etwa 40 Personen teil. Neben Workshops und der Vorstellung von Projekten, die von Lehrer_innen in ihren Schulen durchgeführt werden, umfasste das Programm auch zwei spannende Vorträge. Eröffnet wurde das Seminar durch Marek Zając – Redakteur, Publizist sowie Fernseh- und Radiojournalist – der seit mehreren Jahren als Sekretär des Internationalen Auschwitz-Rates und Vorsitzender des Stiftungsrates Auschwitz-Birkenau fungiert. In der Vergangenheit hat er für das ausländische Publikum eine Reihe von Filmen über Konzentrationslager produziert. Als Thema seiner Einführungsrede wählte er einen Film über das Lager Sobibor. Die Geschichte der vor Ort durchgeführten Ausgrabungs- und Dokumentationsarbeiten (wo im Vorhinein versucht wurde, sämtliche Spuren zu beseitigen) las sich nicht nur als faszinierender Bericht, sondern konnte auch, wie die anschließende Diskussion zeigte, als starker Impuls für Überlegungen darüber gesehen werden, wie man das Gedenken an die Opfer und den Holocaust angesichts des Todes von Zeugen und Überlebenden bewahren kann.
Die Lehrer_innen selbst präsentierten viele hervorragende Ideen für den Unterricht mit ihren Schüler_innen. An dieser Stelle lohnt es sich besonders auf die Projekte hinzuweisen, die sich an die Jüngsten unter ihnen richten. Für die Pädagog_innen ist es offensichtlich, dass die Herausbildung von Empathie und Verständnis über Intoleranz schon in jungen Jahren beginnen sollte. Die dabei vorgestellten Ideen für Unterrichtseinheiten bewiesen, dass dies möglich ist.
Dr. Marzanna Pogorzelska von der Universität Opole sprach in ihrem Einführungsvortrag über die schwierigen Beziehungen zwischen Überlebenden, Zeugen und Tätern und über die Versuche, die Geschichte für unmittelbare, politische Zwecke zu verformen.
Zudem war es auch wichtig, die Aufmerksamkeit der Seminarteilnehmenden auf die Plattformen zu lenken, wo sie sich weiterhin treffen können, um gemeinsame Projekte zu planen und Anregungen für ihre eigenen Aktivitäten zu erhalten. Diese Aufgabe übernahm Dominika Pyzowska von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die im Rahmen ihrer Tätigkeiten auch mit dem Centropa-Netzwerk zusammenarbeitet.
Traditionell nahmen am 27. Januar alle Seminarteilnehmenden an den Feierlichkeiten zum 74. Jahrestag der Befreiung des deutschen nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz teil. Das visuelle Symbol des diesjährigen Jubiläums, das jedes Jahr einem anderen Aspekt der Geschichte des Lagers gewidmet ist, war das Werk des ehemaligen Auschwitz-Häftlings Jerzy Adam Brandhuber "Ankunft eines Transports an der Rampe". Die von der Leitung des Auschwitz-Museums aufbereiteten Materialien erinnerten daran, dass wir im Jahr 2019 den 75. Jahrestag der Eröffnung des Gleisanschlusses und der Entladerampe im Vernichtungslager Auschwitz II-Birkenau (die nahezu mit den Gaskammern und den Krematorien II und III verbunden waren) begehen werden. Seit Mitte Mai 1944 kamen die, von den Deutschen gelenkten, Transporte mit Juden aus Ungarn, dem Ghetto Litzmannstadt, dem Ghetto Theresienstadt, der Slowakei und anderen Ländern dorthin, um deren unmittelbare Vernichtung einzuleiten. Auch die Transporte mit Polen aus dem aufständischen Warschau, die über das Transitlager in Pruszków nach Auschwitz geschickt wurden, hielten hier an.
Der diesjährige Gedenktag unterschied sich von allen vorherigen Gedenktagen darin, dass dieses Mal polnische Nationalisten präsent waren und eine Demonstration durchführten. Ihre Sichtweise wird uns und unseren Gästen noch lange in Erinnerung bleiben, und die damit einhergehende Situation ist zu einem zusätzlichen, ungeplanten Diskussionspunkt über die Rolle der Bildung geworden. Die Mobilisierung einer Gruppe von Antisemiten und Rassisten hat die polnischen Strafverfolgungsbehörden zweifellos überrascht, die sicherstellen sollten, dass die Auschwitz-Gedenkstätten nicht geschändet werden.
https://www.fes-polska.org/Am Ende des Seminars beschlossen die Teilnehmenden, die Bildungsinternationale darum zu bitten, im Jahr 2020, sprich dem 75-jährigen Gedenktag der Lagerbefreiung, eine große internationale Konferenz zum Thema Holocaust-Erziehung und die Rolle der Bildung bei der Vorbeugung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu organisieren.
Übersetzung aus dem Polnischen: Mateusz Weis-Banaszczyk
ul. Poznańska 3/4 00-680 Warszawa Polen
+48 22 418 79 51polska(at)fes.de
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