21.09.2025

Erstes sozialdemokratisches Weimarer Dreieck in Warschau: Schulterschluss trotz Differenzen

Die Suche nach gemeinsamen Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit verleiht progressiven, multilateralen Formaten eine neue Bedeutung.

Sozialdemokratische Mandatsträger_innen und Expert_innen aus Polen, Deutschland und Frankreich trafen sich am 21. und 22. September in Warschau, um sich im Rahmen des Weimarer Dreiecks zum ersten Mal über aktuelle Herausforderungen in der Innen-, Außen- und Wirtschaftspolitik auszutauschen. Das Format orientiert sich am historischen Weimarer Dreieck (Deutschland–Frankreich–Polen, gegründet 1991), das als Inspiration für grenzüberschreitende Zusammenarbeit dient. Anders als das offizielle Format ist die FES-Initiative jedoch eine zivilgesellschaftlich getragene Plattform, die gezielt progressive Mandatsträger_innen anspricht und die Zusammenarbeit fördert. 

Das Dialogforum wurde auf Initiative der FES-Büros in Paris und Warschau organisiert. Es offenbarte ein großes Interesse an gegenseitiger Einschätzung der Lage. Thema der Debatte waren Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, europäische Sicherheit und Verteidigung, Unterstützung der Ukraine sowie eine sozial gerechte Energie- und Industriepolitik. Das Ziel besteht darin, dass die Beteiligten die jeweiligen Positionen besser verstehen und gemeinsam Antworten erarbeiten, um die progressive Perspektive in die öffentliche Debatte und Politik auf nationaler sowie europäischer Ebene stärker zu integrieren.

Wie als Sozialdemokrat_innen auf die Bedrohung durch Russlands Krieg reagieren?

Die meisten Unterschiede betrafen die Wahrnehmung der Bedrohung durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in den jeweiligen Staaten. Polen, das eine direkte Grenze zu Russland und zur Ukraine hat, fühlt sich stärker betroffen als Frankreich, das geografisch viel weiter entfernt ist. Entsprechend sieht Polen den Handlungsbedarf akuter als die westlich gelegenen Staaten. Trotzdem erleben immer mehr europäische Länder immer häufiger hybride Angriffe auf ihre digitalen und Infrastruktursysteme. Die Teilnehmer_innen sprachen sich für eine weitere konsequente Unterstützung der Ukraine aus – finanziell, militärisch sowie beim Wiederaufbau nach dem Krieg. Sie waren sich einig, dass die sozialdemokratische Antwort auf das Vorgehen Russlands entschieden und klar sein muss. So muss die Sicherheit des gemeinsamen Europas über die partikularen Interessen der einzelnen Staaten gestellt werden. Die progressiven Kräfte müssen sich dafür einsetzen, dass europäische Politik nicht einmal indirekt durch Russland beeinflusst wird. Eine der wichtigsten Aufgaben dabei ist, das Zugehörigkeitsgefühl unter den Europäer_innen wiederherzustellen und die europäische Autonomie zu stärken – unter anderem in den Bereichen Verteidigung, Bekämpfung von Fremdeinfluss im digitalen Raum und Arzneimittelversorgung.

Rechtsstaatlichkeit, resiliente Demokratien und gerechte Energiewende

In Polen, Deutschland und Frankreich erleben wir derzeit eine Erstarkung antidemokratischer und populistischer Kräfte. Das Beispiel Polens hat gezeigt, dass selbst mit einer demokratischen Regierung die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit schwierig sein kann. Die Sozialdemokrat_innen sollten sich daher stets für die Stärkung bestehender demokratischer Kontrollinstitutionen und der Pressefreiheit mit demokratischer Medienregulierung einsetzen. Auch die Regulierung des digitalen Raums ist eine Herausforderung, der man sich am besten gemeinsam annehmen sollte. Es braucht ein gemeinsames, einheitliches Narrativ gegen Rechts sowie mehr Kooperation zwischen den europäischen Ländern. Die progressiven Kräfte sollten sich stärker im Bildungsbereich engagieren und sozialdemokratische Werte in der öffentlichen Debatte vertreten. 

Auch im Kontext der gerechten Transformation muss die progressive Perspektive stärker in den Vordergrund rücken. Trotz unterschiedlicher Prioritäten und Probleme bei der Energiewende und Industriepolitik gibt es keinen Zweifel: die soziale Dimension, insbesondere der Schutz der Arbeitsplätze, darf nicht aus den Augen verloren werden. Auf dem Weg zur Klimaneutralität und Energiewende sind soziale Infrastruktur, gezielt eingesetzte Fördermittel und Schutzmaßnahmen notwendig. Es lohnt sich auch, Entscheidungen über besonders relevante Industriezweige, wie z.B. Stahl und Aluminium, oder zumindest die Debatte darüber, auf die EU-Ebene zu verlagern.

Wie weiter?

Bei der Veranstaltung hatten die französischen, deutschen und polnischen Sozialdemokrat_innen die Möglichkeit, sich kennenzulernen und untereinander direkte Gesprächspartner_innen zu finden. Das Format soll in den kommenden Jahren fortgesetzt und zu einem festen Austausch- und Koordinierungsforum ausgebaut werden. Damit positioniert sich die FES als Plattform für progressive Politik und Solidarität in Europa.

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